Zuerst mal, ich hatte ausdrücklich gesagt, dass das alles nichts mit Schick HD zu tun hat - warum sich jetzt alles wieder von vorne darum dreht, ist mir ein Rätsel.
Und zu deinem Argument von wegen Kickstarter-Finanzierung ist ja kein Problem und Steam erreicht ja ach so viele Spieler kann ich dir leider nur eines sagen, und das mag sich jetzt ein bisschen hart anhören: Träum weiter. Das ist ungefähr das selbe Argument wie in den 90ern "Du brauchst nur eine Website zu erstellen, und du erreichst ein weltweites Publikum und kannst damit deine Umsätze mindestens verzehnfachen, Amazon kann das ja auch". Nein, hast du damals schon nicht, und tust du auch heute nicht. Zum einen erscheinen auf Steam täglich neue Spiele, da tummeln sich mittlerweile über 10.000 Titel. Das Problem ist nicht die Plattform, sondern das Zauberwort "Visibility". Das Argument hatte Ali Bengali oben schon angewendet, ich drehs mal um: Dein Produkt kann noch so gut sein, wenn keiner weiß dass es das Produkt gibt, haste Pech.
Deine Beispiele sind toll, aber für jedes Star Citizen gibt es 100 Indie-Projekte, von denen du nie in deinem Leben gehört hast, die auch toll wären, und die kläglich scheitern. Jede einzelne dieser Kampagnen hatte gewaltige Vorteile gegenüber einem beliebigen DSA-Titel. Shadowrun ist international BEI WEITEM bekannter als DSA, nur weil es im deutschsprachigen Raum weniger Leute kennen als DSA heißt das genau gar nix - und die hatten vom ersten Tag an einige Originaldesigner des P+P-RPG mit an Bord - für ein Rollenspiel geradezu ideal. Und mit zwei tatsächlich erfolgreichen Projekten (SR Returns + Dragonfall) und dem Beweis der Qualität, die sie abliefern, ist ein weiterer Kickstarter-Erfolg wirklich nicht schwer erklärbar, vor allem weil sie damit ja schon mal "überall" in die News kommen, UND weil sie eine Bestandscommunity haben.
Star Citizen hat Chris Roberts - JEDER Gamer, der den Namen verdient, kennt Chris Roberts, und anders als Molyneux, Schafer, Garriot und Konsorten ist er dafür bekannt, dass er nicht nur Luftschlösser baut, sondern dass trotz seiner astronomischen Pläne diese auch umgesetzt werden. Und allein schon wegen seiner großartigen Ankündigungen schafft es ein Chris Roberts sogar in "normale" Medien, nichtmal in Gamerspezifische. Wenn der sagt, er baut das größte Spiel aller Zeiten, dann ist das kein leeres Gewäsch - der zieht das durch. Ergo, "Sichtbarkeit" ist da kein Problem.
Wasteland 2 hatte Brian Fargo. Auch der ist bekannt, vielleicht nicht bei jedem Gamer, aber zumindest bei jedem Spielejournalisten. D.h. macht der ein Projekt, wird darüber berichtet. Vis abgehakt.
Kingdom Come hatte keinen großen "Godfather" der Games Historie. Aber sie hatten etwas anderes: Geld. Bevor Kingdom Come auf Kickstarter gegangen ist, haben die schon eine halbe Million Euro mit einem Team von über 30 Leuten "verbraten", nur um daraus ein qualitativ so hochwertiges Demo zu stricken, dass sogar ein Chris Roberts bei Ihnen angefragt hat, ob sie nicht vielleicht "unter Indies" die Technik austauschen wollen. Das ergab eine derart hohe Qualität der Videovorstellung, dass es einfach ziehen musste. Und mal ganz ehrlich, "Dungeons & NO Dragons" ist doch der genialste Suchbegriff, den man sich vorstellen kann - weil Google sofort darauf anspringt, wenn jemand "Dungeons & Dragons" sucht.
Sprechen wir mal über Fehlschläge. Zum Beispiel einen gewissen Guido Henkel. Ich habe großen Respekt vor seiner Leistung damals bei Attic. Aber er hat zwei Kickstarter versucht. Beide kapitale Fehlschläge. Warum? Sein Thorvalla war ja schon fast eine konzeptionelle 1:1-Kopie von Schicksalsklinge. Von seiner 1.000.000 hat er grade mal 47.000 US$ eingesammelt. Obwohl grade in Deutschland darüber berichtet wurde, obwohl grade hier die DSA-Fans sitzen müssten, obwohl grade hier ein "Remake im Geiste" von Schicksalsklinge doch laut deiner Ansicht weggehen müsste wie geschnitten Brot. Und das war auch in der Kickstarter-Boom-Zeit. Wo waren da deine "Offenen Brieftaschen"? Wo waren da die "Fans, die nach sowas lechzen"? Da hat wohl was gefehlt. Er hat sogar noch einen zweiten Versuch gestartet, Deathfire. Das war "so wie Legends of Grimrock, nur besser" gedacht. Und er hat auch über 200.000 US$ dafür zusammengebracht. Er wollte halt 390.000. D.h. er hatte gelernt. Aber trotzdem war und ist Kickstarter sicherlich KEIN Selbstbedienungsladen für Gamefunding.
Und genau das selbe passiert mit Hunderten anderen Projekten. Sie gehen einfach unter. Aus diversen Gründen. Manche sind einfach schlecht. Andere schlecht vorbereitet. Wieder andere sind gut, aber nicht gut genug. Und dann gibts noch welche, die gut genug sind, oft sogar großartig, und die trotzdem scheitern. Weil sie nicht genug Leute gefunden haben. In der Boomphase von Kickstarter vor 3 oder 4 Jahren konnte man dort ein Projekt einstellen, und es wurde gefunden, weil es auf Kickstarter war. Mittlerweile hat man auf Kickstarter das genau selbe Problem wie überall sonst im Internet: Kein Schwein findet einen "einfach so weil man da ist". Man muss die Leute für das Game begeistern, und zwar nicht nur ein paar "Hanseln" in einem Forum, sondern Massen. Denn von den Leuten, die auf die Projektsite schauen, werden *vielleicht* ein Prozent Backer. Und jetzt stell dir mal vor, du brauchst 150.000 US$, bei einem Durchschnitts-Pledge von 15$ - das sind 10.000 Backer. Oder eine Million Unique Visitors. Glaubst du ernsthaft, dass du eine Million Leute international mit "Rumwedel, ich bin ein DSA-Rollenspiel!" hinterm Ofen hervorlockst? Dazu brauchst du internationale Gaming-Sites wie Kotaku, einen hohen Rang auf Reddit, was auch immer - aber du brauchst eben Visibility.
Und genau die ist 1:1 auch für Steam anwendbar. Kein Hahn kräht nach dem 27. "Old-School"-Rollenspiel, wenn es sich nicht aus der Masse hervortut. Kein Mensch berichtet über sowas, weil es einfach schon zu viel davon gibt. Was du brauchst, ist eine sog. "Unique Sales Proposition", ein "Alleinstellungsmerkmal" deines Produkts. Sei das ein "Altherren-Designer" wie Roberts oder Fargo, sei das eine grafische Qualität, bei der selbst AAA-Titel wie Skyrim mit den Ohren schlackern, sei das eine Historie und ein internationaler Bekanntheitsgrad sowie eine Historie gescheiterter Versoftungen (Microsofts "Shadowrun" Teamshooter anyone?).
Natürlich liest es sich toll, dass Star Citizen mittlerweile mehr als 700.000 Backer hat, und nach 18 Monaten noch immer 40.000 US$ täglich einsammelt. Aber über die 99 anderen Projekte, die 10.000 und 20.000 US$ wollen und nichtmal die gebacken kriegen, weil sie einfach kein Mensch kennt und findet liest du so gut wie nie.
Daher: Ja, die großen Erfolge leuchten verdammt hell. Aber sie überstrahlen die Realität und das "täglich Brot" der Branche wie auch überall sonst.